Wer in einem international tätigen Unternehmen Verantwortung trägt, kennt die Situation: Das neue Jahresbudget steht an, Investitionen werden diskutiert, Leasing-Optionen geprüft – und plötzlich steht die Frage im Raum, wie sich all das in der Bilanz nach International Financial Reporting Standards (IFRS) darstellen wird. Fach- und Führungskräfte in Controlling, Rechnungswesen oder Management lernen schnell, dass internationale Rechnungslegungsnormen nicht nur ein Thema „für die Buchhaltung“ sind, sondern den Handlungsspielraum und die Außendarstellung eines Unternehmens entscheidend mitbestimmen.
Ob in Gesprächen mit Banken, Investoren oder innerhalb des Konzerns – wer die Logik der IFRS versteht, ist klar im Vorteil. Deshalb haben die Experten von SEMINAR-INSTITUT die Grundlagen für Sie zusammengefasst – kompakt und praxisorientiert. Lesen Sie in diesem Artikel, was es mit den International Financial Reporting Standards (IFRS) auf sich hat und weshalb es sich nicht nur für Reporting und Controlling, sondern auch für Führungskräfte lohnt, sich intensiv mit den Auswirkungen dieser Rechnungslegungsvorschriften auf die Unternehmensbilanzen zu beschäftigen.
Was sind die IFRS? Definition und Hintergrund
Die IFRS sind internationale Rechnungslegungsstandards, herausgegeben vom International Accounting Standards Board (IASB). Falls Sie davon gerade zum ersten Mal lesen: Kein Grund zur Sorge. Es kann gut sein, dass die IFRS in der Buchhaltung Ihres Unternehmens keine Rolle spielen – sofern Ihr Unternehmen nicht gesetzlich zum Konzernabschluss unter IFRS verpflichtet ist (z. B. als kapitalmarktorientiertes Mutterunternehmen). In der EU müssen kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen ihren Konzernabschluss seit 2005 nach IFRS erstellen.[1] Für nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen ist die Anwendung der IFRS in der Regel freiwillig – doch im Zweifel ist immer Nachschlagen und ggf. auch Inanspruchnahme einer entsprechenden Fachberatung sinnvoll, um Missverständnissen vorzubeugen.
Je nach Rechtslage ergänzen oder überlagern die IFRS außerdem die bestehenden nationalen Vorschriften. Ziel ist es, auf einheitliche Weise über Länder- und Sprachgrenzen hinweg transparente Bilanzen zu gewährleisten. Die dabei zugrunde gelegten Prinzipien sind u. a. Klarheit, Relevanz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit. Im Gegensatz zum stark regelbasierten deutschen Handelsgesetzbuch (HGB), das primär dem Gläubigerschutz dient, oder zu detaillierten Vorschriften, wie sie z. B. unter dem amerikanischen System US-GAAP üblich sind, verfolgen die IFRS also einen prinzipienorientierten Ansatz, der auf übergeordneten Leitlinien basiert und die fachkundige Beurteilung des Einzelfalls verlangt. Dies ermöglicht Unternehmen Flexibilität bei der Auslegung, erfordert aber zugleich fundierte Fachkenntnis. Für Führungskräfte bedeutet das: Die IFRS sind kein ein starres Regelbuch, sondern vielmehr ein Rahmen, der durch professionelle Anwendung auf den Einzelfall zur Geltung kommt.
Die IFRS in der Praxis – ein Beispiel unter vielen
Klingt bis hierher alles ein wenig abstrakt? Dann lassen Sie uns daran etwas ändern. Ein anschauliches Beispiel für die Wirkung der IFRS liefert der Standard IFRS 16, der seit 2019 die Bilanzierung von Leasingverhältnissen regelt. Früher konnten viele Leasingverträge – etwa für Fahrzeuge, Maschinen oder Bürogebäude – als sogenannte „Operating Lease“ bilanziert und damit gewissermaßen ‚außerhalb‘ der Bilanz gehalten werden. Das hat allerdings zur Folge, dass hier die Transparenz und Vergleichbarkeit der Unternehmensfinanzen leidet. Immerhin gibt es nun „unsichtbare“ Assets – und ebenso unsichtbare finanzielle Verbindlichkeiten!
Unter IFRS 16 müssen diese Verträge daher nun auch in der Bilanz erfasst werden: Das Nutzungsrecht wird als Vermögenswert geführt, die Verpflichtung zur Zahlung der Leasingraten als Verbindlichkeit ausgewiesen. Für die Praxis hat das spürbare Folgen. Stellen wir uns etwa ein Maschinenbauunternehmen vor, das einen großen Teil seiner Produktionsanlagen least: Mit der neuen Regelung steigt die Bilanzsumme, der Verschuldungsgrad verändert sich und wichtige Kennzahlen wie die Eigenkapitalquote oder die Rendite auf das gebundene Kapital (Return on Capital Employed, ROCE) fallen anders aus. Dies kann Auswirkungen auf Kreditverhandlungen, Bonitätsbewertungen oder interne Steuerungsgrößen wie Bonusregelungen haben.
Führungskräfte, die diese Effekte kennen, können damit jedoch strategisch umgehen, z. B. durch gezielte Vertragsgestaltung oder frühzeitige Kommunikation mit Stakeholdern. Womit wir auch schon bei einem weiteren wichtigen Punkt wären …
Was die IFRS zu Management-Wissen macht
Die IFRS wirken sich nicht nur auf Leasingverträge aus. Auch die Bewertung von Vermögenswerten, die Abbildung von Rückstellungen oder die Erfassung von Umsatzerlösen können unter den IFRS zu Ergebnissen führen, die von nationalen Standards wie dem deutschen HGB erheblich abweichen. In einem international tätigen Konzern kann dies die Entscheidung beeinflussen, ob eine Investition als rentabel gilt, ein Projekt grünes Licht erhält oder ob Finanzierungsbedingungen als günstig bewertet werden.
Eine weitere Facette der IFRS ist die Bilanzanalyse. Sie geht über die reine Erstellung des Abschlusses hinaus und dient dazu, aus den vorliegenden Zahlen alle relevanten und erreichbaren Erkenntnisse für anstehende Entscheidungen zu gewinnen. So können Führungskräfte z. B. erkennen, wenn eine Veränderung in der Ausweislogik die Marge verbessern könnte, und dies gegenüber Investoren strategisch einordnen, um falsche Erwartungen zu vermeiden. Ebenso kann die IFRS-Bilanzanalyse Schwachstellen in der Kapitalstruktur eines Unternehmens identifizieren. Mit ihrer Hilfe lassen sich gezielt Maßnahmen einleiten, um Prozesse und Projekte finanziell stabiler aufzustellen.
Die IFRS sind demnach weit mehr als ein technisches Regelwerk. Sie dienen als strategisches Instrument, das Fach- und Führungskräften dabei hilft, im internationalen Umfeld souverän zu entscheiden und zu handeln. Wer den Umgang mit den IFRS beherrscht, kann nicht nur Bilanzen lesen, sondern die Geschichte dahinter verstehen – und damit die Weichen für den Erfolg seines Unternehmens stellen.
Alle im Bilanzen im Blick – mit SEMINAR-INSTITUT
Sie möchten die IFRS nicht nur verstehen, sondern sie in Ihrem eigenen Unternehmen gezielt anwenden? Wir helfen Ihnen dabei – mit den praxisorientierten Weiterbildungen von SEMINAR-INSTITUT. Ganz gleich, ob Sie die internationalen Rechnungslegungsvorschriften als Fachkraft in Finance und Controlling nutzen oder sie als Management-Tools für sich entdecken wollen: Unsere Experten zeigen Ihnen, worauf es ankommt.
In unserem Seminar „IFRS Bilanzanalyse“ schärfen Sie z. B. den Blick für die strategische Nutzung von IFRS-Abschlüssen und lernen, die dafür relevanten Kennzahlen sicher zu interpretieren. Für alle, die sich speziell mit der Bilanzierung nach IFRS 16 beschäftigen möchten, bieten wir außerdem das Seminar „Bilanzierung von Leasingverträgen – IFRS, US-GAAP und HGB“ an. Hier vermitteln Ihnen unsere Experten das nötige Wissen zu IFRS 16 und zeigen die wichtigsten Unterschiede zu US-GAAP und HGB auf.
[1] Pellens, B., Rüthers, T. & Sellhorn, T. (2025). International Financial Reporting Standards (IFRS). In Gabler Wirtschaftslexikon Online. Abgerufen am 12.08.2025 von https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/international-financial-reporting-standards-ifrs-39410/version-262819; vgl. außerdem https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32002R1606